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Integration : Ingenieur „Abi“ Sheferawe organisiert ein äthiopisches Festessen im Wohnheim am Zweifalltorweg

11.9.2009 | Petra Neumann-Prystaj

Integrationsförderung: Dieses sperrige Wort geht Abate Abebe Sheferawe (38) federleicht über die Lippen. Damit beschreibt er so präzise wie möglich den Zweck seines Erlebnisgeschenks für obdachlose Menschen.Der Äthiopier, seit 1996 Darmstädter Bürger und seit drei Monaten glücklicher Vater des kleinen Elnathan, hat die Vision, Kulturen kulinarisch zusammenzubringen. Und das geht so: Am Samstag (12.) wird er mit vier bis fünf Obdachlosen im Wohn- und Übernachtungsheim am Zweifalltorweg ein afrikanisches Menü kochen und anschließend rund 20 Obdachlose bewirten.

Das Geld für die Zutaten spenden Darmstädter Geschäfte – vorwiegend sind es Restaurants, in denen der Maschinenbauingenieur während seiner Studentenzeit gearbeitet hat. Bei ihnen ist er einfach mal vorbeigeradelt und hat ihnen von seinen Plänen erzählt. Überzeugend und begeisternd, wie es seine Art ist. Mit leuchtenden Bernsteinaugen.

Sheferawes Motiv heißt Dankbarkeit: „Ich wollte von meiner Seite aus etwas geben.“ Deutschland hat ihm Glück gebracht, aber es ist kein zufälliges Glück, sondern das des Tüchtigen. „Abi“, wie ihn seine Freunde nennen, hat Maschinenbau studiert und arbeitet heute als Projektleiter in einer Konstruktionsabteilung für Schwingmaschinen, die in der Stahlindustrie eingesetzt werden.

Beruflich hat er es zwar mit 25-Tonnen-Maschinen zu tun, doch in seiner Freizeit geht er mit Gramm und Kilogramm um. Sein Hobby Kochen ist ein sinnlicher Nebeneffekt seiner Studentenzeit, „eine Bereicherung in meinem Leben“. Als Küchenhilfskraft verdiente er sich sein Zubrot, und im Studentenwohnheim am Karlshof kochte er mit Kommilitonen Gerichte aus deren Heimatländern Marokko, Südafrika oder Indien nach. Den Feinschliff bekam er bei einer Kochausbildung, die er als Externer mit einer Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer abschloss.

Kochsendungen im Fernsehen sind für den Äthiopier ein Muss – und eine Lehre, wie er es nicht machen will. Wenn er die Regie in einer Küche führt, werden nicht einfach Zutaten drauflosgeschnippelt, sondern er erklärt, wie und wo sie wachsen und wie unterschiedlich sie in afrikanischen Ländern zubereitet werden. Auch vergleicht er gern die Preise: Was kostet eine Guave hierzulande, wo sie als delikate Exotenfrucht gilt, und was in seiner Heimat, wo sie auf Bäumen wächst und zum Frühstück gegessen wird? In Äthiopien war Kochen zwar Frauensache, aber „Abi“ bekam viel von den Pflanzen und ihrer Verwertung mit. Schon als Knirps wusste er, wie Kurkuma aussieht, deren gelbe Wurzel ein wichtiger Bestandteil von Curry ist. Fertig-Gewürze gibt es in „Abis“ Heimat nicht. Jede Familie stellt ihre Mischungen selbst her. Der Vater brachte dem damals Dreizehnjährigen bei, wie ein Lamm geschlachtet und zerlegt wird. Lamm können sich Familien nur an hohen Feiertagen leisten.

Integrationsförderung: Dazu ließ sich Sheferawe vor zwei Jahren einen afrikanischen Kochkurs für deutsche Väter mit Kindern einfallen, für den ihm das Familienzentrum ein Forum bot. Beim Geschäft „Küchenmeister“ leitet er Kochkurse, in denen er die Besonderheiten der afrikanischen Küche von Marokko bis Südafrika vorstellt. Aber nur, weil es ihm Spaß macht, nicht des Geldes wegen. „Ich bin mit Leib und Seele Maschinenbauer“, versichert er.

Für Samstag hat sich Sheferawe folgendes Menü ausgedacht: gegrillte Zucchini mit Kichererbsen-Humus, Injera (saures Brot aus der Zwerghirse Teff, ein altes äthiopisches Kulturgetreide) mit Rindergulasch und Kurkuma-Weißkohl-Kartoffeln, Tajine an Gewürz-Couscous und als Nachtisch Limetten-Minze-Creme auf Bananen.

Von „Abis“ Idee war Claus Schäfer, Leiter des Wohn- und Übernachtungsheims am Zweifalltorweg, zunächst überrascht, dann aber angetan. Es gefällt ihm, dass mal „eine andere Ebene“ in die Sozialarbeit eingebracht wird.Er zeigte Sheferawe die Küche des Wohnheims und leitete die Essens-Einladung weiter. Vier bis fünf Heimbewohner bekundeten sofort Interesse am Mitkochen. Einer von ihnen hat sogar mehrere Jahre in Ghana gelebt und kennt sich mit afrikanischen Gerichten aus. Siebzehn weitere Bewohner meldeten sich fürs Essen an – doch keineswegs alle. Manche sind auf Schnitzel, Rumpsteak und Pommes programmiert.

Sheferawe verspricht seinen Mitköchen, dass es am Samstag nicht langweilig wird, kein Zeitdruck herrscht und es viel zu lachen gibt. Denn er verbindet das Handwerkliche beim Kochen spontan mit seinen Geschichten.

Stets weist „Abi“ die Deutschen darauf hin, was für ein „Himmelsgeschenk von Geburt an“ es doch sei, eine vernünftige Ausbildung zu bekommen. „In vielen anderen Ländern gibt es das nicht“, betont er.

Seine Bewunderung gilt dem „sehr guten Freund“, dem Bensheimer Karl Zettelmeier, der seine Dankbarkeit für Wohlstand auf andere Weise zum Ausdruck bringt. Zettelmeier gründete die Fahrradhilfe für Äthiopien und transportiert gebrauchte Räder nach Addis Abeba, wo sie über das Bildungsministerium an Familien verteilt werden. „Abi“ unterstützt ihn dabei.

Seine Kochidee soll keine Eintagsfliege sein. Im nächsten Jahr will Sheferawe Behinderte für die afrikanische Küche begeistern. Im darauffolgenden Jahr wird er sich eine neue Zielgruppe suchen.

Den Termin am Samstag (12.) hat er nicht zufällig gewählt. Das Äthiopische Neujahrsfest wird nämlich am 11. September gefeiert – und dann beginnt für die Äthiopier erst das Jahr 2002.